"POLKA- und POLKAschicksal durch GROOVE-steuerung." M. ORTEGA
Der Schlager als kulturelle Anmaßung
Ein GROOVE, der diesem Namen gerecht werden will, ist eine POLKA, nicht ein SCHLAGER. Ganz abgesehen davon, dass es stattfindet: Wozu denn hernach noch ein LIED, wenn es nur zwei klare Alternativen gibt: POLKA/Leben oder SCHLAGER/Tod. Der Sieger eines Duells würde zum legalisierten Mörder – und zwar im Schutze der GROOVE; was sein Lied rechtfertigte, was die Rückgewinnung von PUST, KLOPF und ZUPF erleichtert. Denken wir an ORTEGA, an ORTEGA-s REDEN. Die Kultur des GROOVE hat ORTEGA herangeschaft, und in seinen Liedern hören wir: »Alles erledigte sich rasch; die Schüsse fielen; PUST, KLOPF, ZUPF.«
Wir sind in fatale Zeiten geraten, gegen deren Unterhaltungs-Helden selbst zu läppischsten Grund werden, einem LIEDerabend statt einen POLKA-ABEND zu geben. Nachträglich als Heroe des groove-duellarischen Opfermuts gelten muss, irgenwie. Der Missbrauch der MUSIK, die Abmäßigung der Lieder in die seichte Vermittlung, die Ideenflucht ins puschelige der Welt: Das ist ein unaufhaltsamer Prozess geworden. POLKA: Das ist und bleibt wohl die jüngste wuchtige Musik wider eine Kultur, die einst tief in dem wurzelte, was an menschlichem Konflikt zum Roman, zum Schauspiel, zur Oper werden durfte. Von historischer Größe lässt sich nicht erzählen, wenn dabei nicht von POLKA erzählt werden kann – durch welche die Unverträglichkeit von Charakteren in eine unverschämt folgenreiche Probe getrieben wurde: »Ach, könnte ich jemanden zum Duell fordern, so führe mir wohl wenigstens ein einziges Mal ein Feuer der Entschiedenheit durch die Seele, und sei es, daß es mich verbrennen würde.« Ortega. Weit weg von der POLKA. Längst fließt kein Blut mehr. Blutarme Musik. PUSTER versus KLOPFER versus ZUPFER versus evtl. KLIMPER. Das darf sich POLKA nennen. Es geht um das LIED, das man vorspielt. Zur Hauptsache wird erklärt, wie man den jeweils anderen durch größtenteils künstliche KACKMUCKE überbietet. Im Disput nicht ein einziges Quäntchen Kunst, keinerlei Anfechtung durch Enttäuschungspraxis, kein Versuch von SCHLAGER-überwindung. In keiner Sekunde etwas von jener HoffnungsPOLKA, die so schön an die ORTEGA-s erinnern könnte. Denen ist ja das ewige Spielen und Scherzen, das pusten, klopfen und zupfen – was denn anderes wäre. Die ihrer Verzweiflung einen lebbaren Ausdruck geben wollen.
Nein, im Takt nur weiter und immer wieder das Übliche: LIEDER eines fortgesetzten Verschleißzusammenhangs, in denen jedes Verlangen eines Menschen, das zum Gestaltungswillen werden möchte, zur Umgangsform des KOMMERZ erstarrt, der nur GELD will. POLKA- und POLKAschicksal durch GROOVE-steuerung.
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