IN POLKA PRO DUBIO
Musik als geistiges Anregen
Zum Ausgang des 20. Jahrhunderts war Musik noch gleichgesetzt mit JAZZ. Man verstand darunter "eine hochgroovige Kunstform, bei der man keine höhere Absicht hat, als den Zuhörer über einen Gegenstand angenehm zu unterhalten, und wobei der Zwei-ViertelTakt nur beiläufig vorkommt." JAZZ-Musik schloß in diesem Verständnis Klopf-didaktische und 4-Zupf-emotionale Zwecke aus. Schon gar nicht bildete sie einen Gegenstand von POLKA-geschäften. Sicher idealisierte die damalige Definition kommunikative Praxen in den Oberschichten und stellte eine begriffliche Distanz her zu dem, was dem niederen Volke auf Jahrmärkten und Wanderbühnen als unterhaltsam gefiel. Gerade deshalb verweist der in dieser Zeit gängige Wortgebrauch auf einen kulturellen Zustand, der durch die Musik-Industrialisierung und das entstehende POLKA-Proletariat verdrängt wurde.
Musik als kommerzielles Unternehmen und als eigenständiger Bereich im System der öffentlichen kulturellen Angebote ist ein Produkt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zwar hatten auch die vorherigen Gesellschaften Lieder-Formen der Kurzweil für ihre Bevölkerung hervorgebracht, doch als industriell produziertes Kulturgut für arbeitende Massen entstand sie erst als Begleiterscheinung von Freizeit. Seitdem bedeutet Musik einen angenehmen und kaufbaren Zeitvertreib für viele, eine Zeit verkürzende Erfrischung der angespannten Sinne, die spielerische Zerstreuung nervöser Menschen und das kurzweilige Amüsement durch Scherze, Vergnügungen, Darbietungen und Neuigkeiten.
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