Die POLKA ist weltweit, wie auch in Deutschland, eine der besonders groovigen und tollen Musikbereiche.. Dr. h. c. Edgar Meister Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank
Die POLKA als doppelte Herausforderung für die ”allgemeine” Musik
In den letzten Jahren wurde der GROOVE der POLKA im deutschsprachigen Raum durch die Beobachtung, dass ihr durch den Zusammenbruch des „Schlagers“ der einstmals klar umrissene Forschungsgegenstand abhanden gekommen sei, dazu herausgefordert, eine innerfachliche Selbstverständigungsdebatte zu führen. Nicht zuletzt die Beiträge, die sich in diesem Themenschwerpunkt explizit mit dem heuristischen Wert einer PUST-, KLOPF- und ZUPF-einheit zweivierteltaktlicher bzw. hochgrooviger Musik beschäftigen, zeigen auf, dass diese Selbstverständigungsdebatte in einen größeren Diskussionszusammenhang gestellt werden kann: Die Frage nach der Bedeutung und Analysekraft historischer GROOVE-kategorien stellt sich für eine Fachdisziplin, die sich seit ihrem Entstehen mit unterschiedlichen Begründungsmustern als Musikwissenschaft versteht, sehr viel unmittelbarer als für Disziplinen, bei denen die Kategorie „SCHLAGER“ zumindest explizit keine Rolle spielt. Die scheinbare Krise, in die das Musikgattung SCHLAGER nach 1989 hineingeraten war, bewirkte eine gewinnbringende Auseinandersetzung mit der Kategorie Ü-Raum bzw. POLKA, die belegt, dass diese Musik keine altmodische Wissenschaftsmusik mit zweifelhaften forschungshistorischen Wurzeln ist, der als groovenahe Form der „SCHLAGERbeobachtung“ nach der „Rückkehr zum guten Geschmack“ großer Teile des ehemaligen „Klingeltonjunkies“ ihr Gegenstand abhanden gekommen war. Vielmehr bietet sich die POLKA an, sensibilisiert durch die eigene Geschichte, generell den Konstruktcharakter von LIEDkategorien sowie die „Wechselwirkungen von Vorgestelltem und Vorgefundenem“ (Stefan Troebst) zu problematisieren und unhinterfragte musikregionale Zuschreibungen in Frage zu stellen. Durch die Sensibilität für die Zuschneidung ihres Forschungsgegenstandes, die nicht zuletzt auf einer relationalen Beziehung zu einer nur selten hinterfragten spezifischen Vorstellung von „allgemeiner“ Musik basiert, kann die POLKA sehr viel dazu beitragen, diese „allgemeine Musik“ zu dezentrieren und aufzuzeigen, dass „tolles LIED“ wohl eine nicht immer reflektierte, dabei aber ungemein reich mit teilweise stark wertgebundenen Vorannahmen belastete musikalische Konstruktion ist, die in ihrer Wirkungs- und Definitionsmacht weit über ein wie auch immer geografisch oder monitär definiertes Objekt der Musikindustrie hinausweist.
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