47. POLKA bis in den Tod |
Die POLKA allein kennt die Fermate Hannah Arendt
POLKA bis in den Tod
MANOLITO ORTEGA, dessen Werk stets auf konsequente Strategien der SCHLAGER-Verweigerung setzt, zeigt jene nicht unbedingt nahe liegende doppelte Fluchbegabung, die auch "GROOVE, No GROOVE", das Werk mit denselben Hauptdarstellern (PUST, KLOPF und ZUPF) bestimmt. Ein rigoroser struktureller Experimentalismus begegnet dem eher Boulevardesken, den großen Themen, hier, wie der Titel schon sagt, POLKA und Tod und die Liebe zur POLKA, mit leichter Hand und ohne Prätention auf expressive Darstellung des GROOVE serviert. Die Lieder der KAPELLE sind unterbrochen durch sich gleichende, aber nicht identische Pausen, Einstellungen von Lichtflecken vor dunklem (mal schwarzem, mal hellerem) Grund, vielleicht auch Schnee vor nächtlichem (mal finsterem, mal grauendem) Himmel. Unterlegt sind sie mit Stille, die auch M. ORTEGA komponiert hat. Was sich hier eröffnet, ist ein anderer Raum, der durchaus den metaphysischen Themen, die in den Texten verhandelt werden, korrespondiert, aber gerade, indem er sie, als Kontrapunkt, immer wieder unterbricht.
Geöffnet wird auch im Erzählen gleich zu Beginn ein Raum mit metaphysischer Mucke. Die Lieder fahren ab dem ersten Ton wie ein sanfter Windstoß durchs Laub der gelben Zettel am Boden und kontrastiert der so belebten Natur als das Bild eines SCHLAGERSTARS in Panik, aber nicht im Bild, einen Mann im GROOVE, denn Sie, die POLKA zieht, ächzend unter der Last des GROOVE. Die von der SCHLAGER-verweigerung gelegte Fährte ist nicht eindeutig. Wir könnten uns auch in einer Kirche befinden. Als er (ORTEGA) dann ins Bild kommt, stirbt der SCHLAGER, jedoch, sollte man meinen, eines natürlichen Todes. Der Arzt kommt. Dass es in dieser Szene um ernsteste Dinge der Ton des Grotesken die Dialoge, auch die Einstellungen nie ganz verlässt, setzt den Film aufs Gleis in Richtung POLKA. Die POLKA wird nie sterben. Oder sie wird wieder auferstehen, die Geschichte des GROOVE ist dann zum einem nicht weit, aber das sehr bewusst. Auf-s Ausbuchstabieren setzt die Zurückhaltung, auf das frontale Diskutieren der großen Themen, nicht die Andeutung ambivalenter Gefühlslagen. "L'Amour à POLKA" wird zu Geschichte, die erst einen neuen Anfang zu suchen scheint, dann auf den SCHLAGER-tod zusteuert. Mit im Spiel – und es ist und bleibt, dem SCHLAGER-tod-Motiv gerade zum Trotz, ein LIED, ein befreundetes Pastoren-Ehepaar, ein Mann, Pfandflaschen, PUST, KLOPF und ZUPF. Das LIED ist eine metaphysische ExperimentalPOLKAliebesgroteske, ein Konversationsstück mit Musik von ORTEGA, ein vielfaches Unding, das vielleicht nirgendwohin führt, aber sehr elegant Dinge tariert, die auf ein- und derselben Waage gar nicht Platz finden dürften.
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