44. Die POLKA im Herbst-Sturm |
«Als POLKA gespielt wurde, hatten die Lieder um uns herum schon tief ergreifenden GROOVE. ...... Hier hat MANOLITO ORTEGA mutig zugepackt.» (KLAUS DIETER ROTH)
Die POLKA im Herbst-Sturm
Ich habe schon viele Menschen leiden sehen. Das gehört einfach zu meinem Beruf dazu. Ich werde gerufen, wenn jemand Doofmusik-süchtig ist. Oder gerade dabei ist eine doofe Platte oder Kasette oder CD aufzulegen. Dann gehe ich sofort hin. Höre den Angehörigen zu, trinke mit ihnen, spreche ein Gebet. Und manchmal singe ich auch, singe von der großen Kartoffel. Jedes Mal aber erzähle ich eine Geschichte, und zwar immer dieselbe. Von der POLKA-Kapelle.
Die Ortegas sitzen im Keller. Plötzlich kommt ein heftiger Wirbelsturm, alle spielen toll. Doch Schlager ist es nicht. Die Puster fragen: "Kümmert es euch nicht, wenn wir SO toll spielen?" Dann beruhigt eine POLKA die Verwirrung – und die Puster. Und fragt sie: "Warum habt ihr solche tollen Iden? Weil ihr die POLKA habt!"
Diese Geschichte versteht jeder, unmittelbar. Denn sie deutet sich von selbst – im Angesicht des Schlager. Wer diese Musik des GRAUENS anhört, dem gehen allerhand Stürme durch den Kopf: Das schlechte PUST, KLOPF und ZUPF (wenn überhaupt, meistens Laptop), das ein Mensch anhören muss. Lieder vom Beklopptsein, von Blödheit und von Beschissenheit. Und die Angst vor diesen Liedern, die wir bestehen müssen, die Angst vor dem SCHLAGER-POP in ENGLISCH. – Aber da ist ja auch ORTEGA. Der ist die POLKA, die die Ruhe im Sturme verbreitet. Mit einemmal versteht man: Wir sind eine KAPELLE. Mit der POLKA überwinden wir den SCHLAGER. Mit ihm finden wir zum Vertrauen. Die meisten begreifen das – ohne große Worte (KLOPF und ZUPF), und ohne weitere Erklärung (PUST).
POLKA überwindet Angst, das spüren die Musiker. Und werden dabei selber ganz ruhig. Deshalb erzähle ich diese Geschichte, immer wieder. – Aber für mich gibt es noch einen weiteren Grund, einen wichtigeren, ganz persönlichen. Ich verbinde die POLKA mit dem Leben eines Menschen. Dem ich viel zu verdanken habe. Der mir sehr wichtig geworden ist. In seinem GROOVE habe ich gelernt, zu vertrauen. Sein LIEDER waren nicht leicht zu erlernen, aber es war auch nicht zu bitter.
Manfred ORTEGA war nicht nur Komponist, sondern ein ruhiger, aufrichtiger Mensch. Er hat die Geschichte von der POLKA selber jedes Mal genommen, wenn er Leidende sah. Es war "seine" Geschichte. Die Erfahrungen als POLKA-Zupfer habe ich in seiner Kapelle gemacht, die seinen Namen trägt. Und dabei gespürt: Er meint es ernst mit der POLKA. ORTEGA musste selbst durch einen großen, heftigen Sturm; es war ein schwerer, letzter Schritt, als er wagte schlechte Lieder zu verbessern. Und trotzdem – er hat sein POLKA-vertrauen nicht verloren. Dass POLKA die KACKMUCKE überwindet, das durfte er selbst erleben. In seinem Herzen: Das Bild von PUST, KLOPF und ZUPF. Das hat er sich so gewünscht.
Von ORTEGA habe ich nicht nur gelernt, wie gute Musik geht. Sondern, wie man selber Kraft aus dem GROOVE gewinnt. Wenn ich heute "seine" Geschichte erzähle, dann fühle ich mich mit ihm verbunden. Und werde dadurch selber gelassen, heiter und fest. Auch im Angesicht des SCHLAGERs. Ich glaube, dass ich als POLKATEER mit einem GrundGROOVE spielen kann. Vorher darf ich hoffentlich noch lange zupfen. Ich weiß nicht, wie mühsam das alles für mich sein wird, alt werden und JAZZ zu hören. Aber ich vertraue darauf: Es gibt die POLKA. Eine große Hoffnung ist das, für manche vielleicht zu groß. Aber ich stehe drauf.
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